Das Christentum in Nubien. Geschichte und Gestalt einer afrikanischen Kirche

Roland Werner, Das Christentum in Nubien. Geschichte und Gestalt einer afrikanischen Kirche,  Berlin: LIT 2013, 520 S. = Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte 48), ISBN978-3-643-12196-7

Roland Werner ist Afrikanist und Theologe. Seine erste Doktorarbeit hatte das Thema „Grammatik des Nobiin“. In den Folgejahren erforschte er nordsudanesische Sprachen. Nach vielen Forschungsaufenthalte im Sudan wurde er 2012 mit der hier zu besprechenden Arbeit „Christentum in Nubien. Geschichte und Gestalt einer früher afrikanischen Kirche“ zum Doktor der Theologie an der Evangelischen Fakultät der Universität in Marburg promoviert.

Das nubische Christentum ist auch selbst bei Fachleuten der Kirchengeschichte kaum bekannt. Dabei war es neben der äthiopischen und der koptischen Kirche die dritte Kirche, die das christliche Leben in Afrika prägte. Wenn das nubische Christentum heute nur noch Geschichte ist, so kann es doch zu einen wichtigen Beitrag zum Selbstverständnis der heutigen Kirchen in Afrika beitragen.

Die hier besprochene umfangreiche Arbeit gliedert sich in folgende Hauptteile. In der Einführung betrachtet der Autor verschiedenen hinführende Einzelfragen wie die Datierung und Chronologie, die Quellen zur Geschichte Nubiens, die Begriffe Nubier und Nubien und ordnet die Nubier linguistisch ein.

Der erste Hauptteil behandelt die Geschichte des christlichen Nubien. Er ist chronologisch geordnet. Im ersten Kapitel betrachtet der Autor Nubien vor der Christianisierung und behandelt die Endphase des meroitischen Reiches, sowie die Entstehung der drei nubischen Reiche Nobadia, Makuria und Alodia und christliche Einflüsse vor der offiziellen Christianisierung. Diese behandelt er in dem zweiten Kapitel. Für die Christianisierung von Nobadia ist die Schließung des Isis-Tempels auf der Insel Philae von größter Bedeutung für die anschließende Mission durch Julianus gemäß Johannes von Ephesus. Die Missionierung Markurias wird im nächsten Abschnitt behandelt. Ausführlicher werden die Tätigkeiten des Bischofs Longinus behandelt sowohl seine Reise nach Nobadia als auch seine Christianisierung von Alodia. Die damalige Konfession der Einwohner von Markuria ist umstritten und wird im folgenden diskutiert. Im dritten Kapitel behandelt er die vergeblichen Angriffe der Muslime auf Nubien und das Friedensangebot mit den Muslimen, genannt baqt. In die Zeit des siebten Jahrhunderts fällt auch die Vereinigung der beiden Reiche Markuria und Nobadi. In den folgenden Kapiteln behandelt der Autor jeweils ein Jahrhundert, bzw. zwei Jahrhunderte der nubischen Kirchengeschichte. Er orientiert sich dabei an den überlieferten Daten zu den einzelnen Königen und Bischöfen. Da die Überlieferung lückenhaft ist, kann keine durchgehende Geschichte geschrieben werden. Es sind Mosaiksteine, die hier dennoch einen Einblick in die jeweilige Epoche bieten. Die schriftlichen Überlieferungen werden durch archäologische Ausgrabungen gestützt. Im neunten Kapitel behandelt der Autor Berichte abendländischer Autoren im Mittelalter über die Nubier. Hier ergeben sich interessante Einblicke in die Verbindung zwischen Europa und diesem Teil Afrikas. Das zehnte Kapitel behandelt Nubien im 14. Jahrhundert. Es ist der Beginn des Untergangs des christlichen Nubien. Hierzu haben nicht nur islamische Einfälle und Eroberungszüge beigetragen, sondern es hat auch die Pest wesentlich zur Schwächung des nubischen Reiches beigetragen. Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts wird die nubischen Hauptstadt verlegt. Das elfte Kapitel behandelt die Endphase des nubischen Christentums. Diese reicht wohl bis ins 19. Jahrhundert. Ein recht kurzes Kapitel wird dem Reich Al-Abwāb gewidmet. Das 13. Kapitel behandelt das noch recht wenig erforschte südnubische Reich von Alodia und dessen Kirche. Im 14. Kapitel diskutiert der Autor die Gründe für den Untergang des nubischen Christentums. Er unterscheidet dabei innere und äußere Gründe für seinen Niedergang. Abschließend stellt er Spuren christlichen Brauchtums vor, die in der Region bis heute zu finden sind. Dazu gehören Gesten wie das Kreuzzeichen, Bräuche, die an die Taufe erinnern, aber auch Namen und Bezeichnungen.

Der zweite Hauptteil betrachtet die Gestalt des nubischen Christentums. Im ersten Kapitel behandelt er die in Nubien gebräuchlichen Sprachen. Dazu zählen Altnubisch, Griechisch, Koptisch, Meroitisch, Arabisch und weitere Sprachen. Im zweiten Kapitel listet er die Literatur und andere Dokumente auf. Der recht kleine Umfang der nubischen Literatur wird ausführlich behandelt. Jeder der nubischen Texte erhält ein Unterkapitel. Es werden noch die koptischen Texte aus Ibrim und Qasr el-Wizz vorgestellt, sowie griechische Texte. Zum Schluss erhalten wir noch einen Einblick in rechtliche Dokumente und Briefliteratur. Das dritte Kapitel behandelt Liturgie und Gottesdienst. Anhand der überlieferten liturgischen Texte erhält man einen Einblick in das gottesdienstliche Leben in dieser Region. Es sind nicht nur Texte der eucharistischen Liturgie überliefert, sondern auch Gebete und Gesten zum Totengedenken, Weihegebete, Sterbekommunion etc. Diesem Kapitel werden auch liturgische Geräte und liturgische Kleidung sowie die Kirchenausstattung betrachtet. Das Kapitel vier behandelt die Ämter der nubischen Kirche. Zunächst wird der Episkopat betrachtet. Die Gliederung folgt einzelnen bekannten Bistümern. Es werden dabei nicht nur die schriftlichen Überlieferungen herangezogen, sondern auch die bildlichen Darstellungen vor allem in den Kirchen. Eine herausragende Rolle spielt dabei der Bischofssitz von Faras. Recht kurz werden die Ämter Priester und Diakon abgehandelt. Kapitel fünf stellt das Königtum und die Reichsverwaltung dar. Der Autor betrachtet zunächst die Darstellungen des Königs des vereinigten Nordnubien. Sodann geht er auf den Thronsaal in Dongola ein und beschreibt die Königsproklamation anhand altnubischer Dokumente. Im Kapitel sechs fasst er die Informationen über Klöster und Mönchtum in Nubien zusammen, die sich aus der Archäologie und textlichen Funden, sowie aus der Malerei ergeben. Das siebte Kapitel stellt die Taufe der nubischen Kirche anhand der Malereien und archäologischen Befunde dar. Bestattung und Totengebet werden im Kapitel acht vorgestellt. Grundlage sind hier die archäologischen Funde in Gräbern und Friedhöfen. Kapitel neun stellt die Ausdrucksformen des Glaubens dar. Hier kommen zunächst einmal Inschriften in Betracht. Aber auch Phänomene wie Pilgerreisen oder diakonische Einrichtungen sowie religiöser Tanz kommen zur Sprache. Einen großen Raum nehmen hier auch die bildlichen Darstellungen ein. Kapitel zehn betrachtet Volksglaube und Magie und Kapitel elf die Kultur des täglichen Lebens. Hier werden auch Fragen nach der Stellung der Frau, der Wirtschaft und des Landbesitz nachgegangen. Der Glaube an Jesus Christus wird im zwölften Kapitel behandelt. Auch hier werden zunächst einmal die bildlichen Betrachtungen herangezogen. Eng damit verbunden wird im 13. Kapitel die Bedeutung des Kreuzes dargestellt. Hier sind die Grundlagen erneut die Ikonographie, wie auch archäologische Ausgrabungen von Kirchen in Kreuzesform. Wichtig sind auch die beiden nubischen Texte, der Stauros-Text und Pseudo-Chrysostomos. 14. Kapitel geht es um die Verehrung der Jungfrau Maria. Grundlage sind hier die bildlichen Darstellungen in den Kirchen. Ebenso basiert im Kapitel 15 die Darstellung des Glaubens an die Nähe der Engel auf bildlichen Darstellungen und einigen Texten. Im 16. Kapitel wird die Bedeutung der Heiligen dargestellt. Einen besonderen Platz nimmt die Mutter Mariens Anna, Magdalena und Salome sowie die Apostel und Evangelisten ein. Aber auch Heilige aus dem Alten Testament sowie ägyptische Heilige kommen zur Sprache. Für Nubien sind von besonderer Bedeutung die Reiter- und Soldatenheilige, die als Vorbilder des Glaubens dargestellt sind. Kirchenväter und Anachoreten werden in diesem Kapitel ebenso behandelt. Im kurzen 17. Kapitel wird der dreieine Gott und das ewige Leben gemäß nubischen Quellen dargestellt. Das 18. Kapitel hat die Überschrift „Christentum in Nubien – Rückblick und Ausblick“. Es gibt drei Appendices: 1. „Zur Annahme des Konfessionswechsels in Faras im elften Jahrhundert“; 2. „Die Inschrift in Banganarti; 3. „Die Beja und ihre Beziehungen zu Nubien und zum Christentum“. Es folgen die Verzeichnisse der Abkürzungen und Sammelwerke, das Literaturverzeichnis und das Verzeichnis der orientalischen Quellen. Der Band schließt mit dem Register der Orte und Personen ab.

Es ist die erste Darstellung im deutschsprachigen Raum, die versucht, alle Ergebnisse der Forschungen zum nubischen Christentum zusammenzufassen und so ein Gesamtbild dieser recht unbekannten Kirche zu erstellen. Der Autor gründet seine Darstellung auf archäologische Ergebnisse auf textliche Untersuchungen sowie auf bildlichen Darstellungen. Dabei ist der Autor bemüht, alle bisher bekannten Ergebnisse zusammenzufassen. Dem Autor ist es so gelungen, einen umfassenden und zugleich detaillierten Einblick in die Geschichte und in das Leben der nubischen Kirche zu geben. Das hier noch viele Lücken bestehen ist kein Mangel der Untersuchung, sondern zeigt, dass noch weite Gebiete der nubischen Kirchengeschichte erforscht werden müssen. Das Werk ist nicht nur als Einführung in das nubische Christentum geeignet, sondern kann auch als Nachschlagewerk hierzu genutzt werden.

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