Christen in Tunesien

Tunesien hat 9,8 Mill Einwohner, davon 30.000 Christen, mehrheitlich (22.000) ausländische Katholiken. In Tunesien ist der rechtliche Status der katholischen Kirche am eindeutigsten geregelt. 1964 gab es eine Konvention zwischen der tunesischen Regierung und dem Heiligen Stuhl. Diese Konvention garantierte sieben Kirchen im Land und gab auch die Möglichkeit, bei Bedarf um Erlaubnis für die Eröffnung weiterer Kapellen zu fragen.

Laut Verfassung ist der Islam Staatsreligion, aber die Regierung erlaubt die Ausübung anderer Religionen. Mission und das Verteilen von religiösem Material sind verboten

Die Kolonialzeit

Die Entstehung der katholischen Kirche in Tunesien ist mit der Errichtung des Protektorats (1881-1883) verbunden. Schon 1843 wurde ein Apostolisches Vikariat von Tunesien errichtet, das 1884 zur Erzdiözese von Karthago erhoben wurde. Ihr erster Bischof war Charles-Martial Allemand-Lavigerie.

Die Kirche in Tunesien widmete sich im 19. Jh. erzieherischen und karitativen Aufgaben

Institutionen des christlich-islamischen Dialogs

1927 wurde das Institut des Belles Lettres Arabes (I.B.L.A.) gegründet, ein Zentrum für arabische Sprache und Islamwissenschaften. Seit 1937 wird die Revue de l’I.B.L.A. herausgegeben. 1949 teilte sich das Institut: I.B.L.A. spezialisierte sich in den Studien zur tunesischen Kultur und der modernen arabischen Literatur. Das zweite mit dem Namen Institut Pontifical d’Études Arabes (IPEA) hatte zur Aufgabe, Kirchenpersonal, Kleriker und auch Laien auf Universitätsniveau auszubilden und wurde 1964 nach Rom verlegt. Aus dem Institut sind zahlreiche Persönlichkeiten hervorgegangen, die im französischsprachigen Raum oder in Rom zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils und danach wichtige Initiativen ergriffen und Institutionen für den Dialog mit dem Islam aufbauten. Hierzu gehören z.B. P. Cuoq, der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil das Sekretariat für die Beziehungen mit dem Islam aufgebaut hatte, oder auch P. Caspar, der 1977 in Tunis mit einigen christlichen und muslimischen Freunden die Groupe de Recherche Islamo-Chrétien (GRIC) gegründet hatte. Hier sollte von Anfang an die gleiche Zahl von Muslimen und Christen teilnehmen. Die Ansichten und Herausforderungen beider Religionen sollten auf akademischem Niveau diskutiert werden.

In den 80er Jahren geriet GRIC in eine Krise, so dass man 1991 sogar die Auflösung in Betracht zog. Die Krise scheint aber soweit überwunden zu sein, dass optimistisch in die Zukunft gesehen werden kann.

Das Ende der Kolonialzeit

Der Übergang von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit Tunesiens war von vielen Spannungen und tiefgreifenden Änderungen auch für die Kirche geprägt. 1930 fand der Eucharistische Kongress in Karthago statt. Die Tatsache, dass sich Frankreich offiziell auf dem Kongress vertreten ließ, war bei den tunesischen Nationalisten wie auch bei einigen Kirchenvertretern umstritten. Der spätere Präsident Bourghiba sah in dem Kongress einen neuen Kreuzzug. Es war der symbolische Höhepunkt des Geistes der französischen Kolonialisierung im Verbund mit der Kirche. Durch die Weitsichtigkeit einiger Priester und Bischöfe gelang es, die Kirche mit guter Hand in die Zeit der Unabhängigkeit zu führen.

Am Vorabend der Unabhängigkeit gab es noch etwa 255.000 Nicht-Muslime unter den 3,4 Mill. Einwohnern Tunesiens. Abgesehen von den 60.000 Juden war die große Mehrheit katholisch. 100.000 Katholiken lebten in Tunis, der Rest über das Land verteilt. 78 Pfarren mit 100 Kirchen und Kapellen wurden von 228 Priestern, davon 153 Diözesanpriestern, versorgt.

Die Diözese wurde seit 1953 von Mgr. Maurice Perrin geleitet. Zur Zeit der französisch-tunesischen Krise (1950-1954) zeigte er sich moderat. Aufgrund seiner Offenheit wurde er nicht von der Unabhängigkeit Tunesiens überrascht und wusste, dass sich das Schicksal der Kirche in den folgenden Jahren entscheiden würde. Msgr. Michel Hervé-Bazin gab die diözesane Wochenzeitung La Tunisie Catholique heraus, die auch auf den Islam und muslimische Fragen einging und so versuchte, den Blick der Gläubigen für die gesellschaftliche Mehrheit zu öffnen. P. André Demeerseman war Weißer Vater und am IBLA tätig. Als Schüler von P. Henri Marchal favorisierte er eine Missionsarbeit ohne Werke und Konversion und hatte sich mehrmals für die Unabhängigkeit Tunesiens eingesetzt.

Die Hierarchie war sich der schwierigen Übergangszeit bewusst, als sich unter den Gläubigen beginnende Unruhe ausbreitete. Obwohl die vatikanische Presse bei der Ernennung von Msgr. Perrin schon darauf hinwies, dass die katholische Präsenz in Tunesien von den Ausländern abhinge, pflegte man die religiösen Aktivitäten weiter, als stünden keine Umbrüche bevor. Andererseits zeigte der Erzbischof Gesten guten Willens und ließ 1953 die Statue von Kardinal Lavigerie vor dem Eingang zur Medina entfernen. Er gab die Kapellen auf und benannte die Wochenzeitung La Tunesie Catholique in L’Écho du diocèse de Carthage

Die Kirche im unabhängigen Tunesien

Nach der Unabhängigkeit Tunesien (1956) kam es zu einer deutlichen zahlenmäßigen Reduzierung der Christen. 1959 kam es aber zu ersten Verboten kirchlicher Aktivitäten und der Enteignung von Gebäuden.

Am 19. Juni 1959 statte der tunesische Staatspräsident Bourghiba dem Vatikan einen ersten Besuch ab. Papst Johannes XXIII. empfing ihn in seiner Privatbibliothek. Er forderte dabei klar ein direktes Abkommen zwischen dem Vatikan und Tunesien, da die Abkommen aus der Kolonialzeit überholt seien. Ein zweiter Besuch fand am 23. September 1962 statt, am Vorabend der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Doch wurde erst bei einem Besuch des tunesischen Außenministers am 16. Februar 1963 entschieden, Verhandlungen über den Status der katholischen Kirche in Tunesien aufzunehmen.

1964 kam es zu einem Abkommen zwischen der tunesischen Republik und dem Vatikan. Der Vatikan übergab dem Staat ersatzlos fast alle Kultorte, sieben verblieben im Kirchenbesitz. Dafür anerkannte der Staat den Kult der katholischen Kirche, der frei, aber diskret ausgeübt werden soll. Priester können einreisen und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Der Bischofstitel wurde verweigert und das Erzbistum von Karthago wurde zur Territorialprälatur Tunis. Es war auch ein Neuanfang für die Kirche, die nun dem Land dienen sollte und nicht mehr protegierte Kolonialkirche war.

1968 fand eine Synode statt, auf der die Kirche sich entschied, bevorzugt im Erziehungs- und Gesundheitswesen sowie im sozialen Bereich tätig zu sein. Damit vollzog sich ein großer Wandel.

Am 30. Mai 1992 wurde der jordanische Priester Fuad Twal zum Bischof von Tunesien ernannt und am 31. Mai 1995 konnte die Territorialprälatur Tunis zum Bistum erhoben werden. Im April 1996 besuchte Papst Johannes-Paul II. Tunesien und gab in seinen Reden der Verteidigung der Menschenrechte einen neuen Impuls.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ergriff die Regierung einige Maßnahmen, um die Sicherheit zu erhöhen und Aufstände zu vermeiden. Sie förderte auch den interreligiösen und interkulturellen Dialog.

Am 8. September 2005 wurde der Jordanier Msgr. Maroun Elias Nimeh Lahham zum Bischof von Tunesien ernannt.

Seit den Unruhen

Auf der Sonderversammlung der Bischofssynode zum Nahen Osten in Rom hatten die Bischöfe unter anderem einen säkularen Staat (sie nannten es zivilen Staat) und Religionsfreiheit, nicht nur Kultfreiheit gefordert. Auf der Versammlung der Nordafrikanischen Bischofskonferenz (CERNA) vom 29. Januar bis zum 2. Februar begrüßten sie den Wandel, den sie wenige Monate zuvor in Rom gefordert hatten. Ihrer Ansicht nach waren die Christen Teil des Wandels, und sie unterstützten die Forderungen der Bürger nach mehr Freiheitsrechten und der Teilhabe an der Regierung des Landes. Als kleine, ausländische Minderheit konnten sie aber den Wechsel nur wenig mitgestalten.

Nachdem auch die Unruhen in Libyen begannen und von dort nun große Flüchtlingsströme ins Land kommen, sorgt sich die Kirche im Rahmen ihrer Möglichkeiten um die Gestrandeten.

Doch der Wandel in Tunesien ist nicht ohne Makel. Am 18. Februar wurde der Salesianerpater Marek Rybinski ermordert in der Schule aufgefunden. Wahrscheinlich wurde er wegen 1000 EUR umgebracht. Er war das erste ausländische und christliche Opfer seitdem der frühere Präsident Ben Ali verjagt worden war. In den Tagen gab es auch Islamisten, die in gegen die Prostitution in einem Viertel von Tunis vorgingen und dort Feuer legen wollten. Anfang Februar hat die jüdische Gemeinschaft ihre Sorge zum Ausdruck über antisemitische Vorfälle vor der Synagoge zu Ausdruck gebracht. Solche Vorfälle können auch die Kirche über die Zukunft Tunesiens beunruhigen.

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